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Olaf Scholz verliert die Vertrauensfrage: was passiert jetzt genau?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 16. Dezember 2024 die sogenannte Vertrauensfrage gestellt und hat sie wie geplant und gewünscht verloren. 394 stimmten gegen ihn, 207 für ihn und 116 Abgeordnete haben sich enthalten. Doch was passiert jetzt genau? Hier ein kurzer Überblick:

Wann kann/muss eine Vertrauensfrage gestellt werden?

Die Vertrauensfrage ist nicht nur in Deutschland ein Instrument der Regierung um zu überprüfen, ob das Parlament mit der Haltung der Regierung grundsätzlich noch übereinstimmt. Das Ziel ist, eine neue Mehrheit im Parlament zu schaffen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, die politische Richtung des Landes neu zu bestimmen. Der Unterschied zu einem konstruktiven Misstrauensvotum liegt darin, dass der Bundeskanzler selbst die Initiative ergreift und nicht das Parlament gegen ihn vorgeht.

Die Vertrauensfrage sollte eigentlich nur gestellt werden, wenn es politisch für den Kanzler nicht mehr möglich ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren. Die Vertrauensfrage kann also nicht einfach so zur Auflösung des Bundestages und für Neuwahlen genutzt werden, vielmehr muss eine „echte“ Regierungskrise vorliegen.

Im aktuellen diesem Fall wird von einer sogenannten unechten Vertrauensfrage gesprochen: Das bedeutet, dass die Vertrauensfrage nicht darauf abzielt, sich das Vertrauen bestätigen zu lassen, sondern im Gegenteil dazu dient, die Vertrauensfrage zu verlieren, um zu einer Neuwahl zu kommen.

Die Vertrauensfrage kann aber auch mit einer wichtigen Sachentscheidung verbunden werden und dann für einen allgemeinen Parlamentsbeschluss benutzt werden(siehe unten).


Was passiert, wenn die Vertrauensfrage verloren wird?

Das steht in Artikel 68, Absatz 1 des Grundgesetzes: "Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen."

Wenn der Bundespräsident den Bundestag auflöst, legt er zugleich den Termin für die Neuwahl fest. Diese muss nach Artikel 39 Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestags stattfinden.


Wie lange bleit die alte Regierung nach der verlorenen Vertrauensfrage noch im Amt?

Die Bundesregierung bleibt bis zur Konstituierung des neuen Bundestages im Amt und ist voll handlungsfähig. Nach der konstituierenden Sitzung des Bundestags arbeitet sie geschäftsführend weiter, bis eine neue Regierung gebildet wird.
Laufende Gesetzesvorhaben können bis zur ersten konstituierten Sitzung des neuen Bundestages weiter bearbeitet werden. An dem Tag, an dem der neu gewählte Bundestag zusammentritt, gelten alle beim alten Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlagen als erledigt (Diskontinuitätsgrundsatz). Dies bedeutet, dass alle Gesetzesvorlagen, die vom alten Bundestag noch nicht endgültig beschlossen wurden, neu eingebracht und verhandelt werden müssen.


Wie oft wurde die Vertrauensfrage bereits gestellt?

In der Geschichte der Bundesrepublik ist eine Vertrauensfrage erst 5-Mal gestellt worden. Zweimal (2001 und 2005) griff Gerhard Schröder (SPD) zu diesem Mittel. 2001 ging es dabei nicht um Neuwahlen, sondern um eine Sachfrage. Es ging um den Antrag auf Entsendung deutscher Streitkräfte gegen den internationalen Terrorismus in Afghanistan.
Davor stellten Willy Brandt (SPD) 1972, Helmut Schmidt (SPD) 1982 und Helmut Kohl (CDU) 1982 die Vertrauensfrage.
Das Vertrauen ausgesprochen wurde Helmut Schmidt 1982 und Gerhard Schröder 2001, in allen anderen Fällen wurde der Bundestag ausgelöst und es gab Neuwahlen.


Was ist der Untertschied zwischen Neuwahlen und "normalen" Wahlen?

Vorgezogene Wahlen folgen denselben Regeln wie reguläre Bundestagswahlen. Wählerinnen und Wähler können ihre Stimmen wie gewohnt im Wahllokal oder per Briefwahl abgeben. Der Hauptunterschied liegt in den verkürzten Fristen etwa für die Einreichung von Wahlvorschlägen.


Wie laufen vorgezogene Wahlen genau ab?

  • Nach einer verlorenen Vertrauensfrage wird der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen
  • Der Bundespräsident legt den Wahltermin fest. Die Neuwahl muss innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestages stattfinden.
  • Noch vor Festlegung des genauen Wahltermins werden bereits Wahlausschüsse gebildet, Wahlbezirke und Briefwahlstellen eingerichtet, Wahlvorschläge geprüft oder Wahlunterlagen beschafft.
  • Einige Fristen, etwa zur Einreichung von Wahlvorschlägen, kann das Bundesinnenministerium verkürzen.
  • Die vorgezogene Neuwahl verläuft wie eine reguläre Bundestagswahl: Bürgerinnen und Bürger können ihre Stimme vor Ort oder per Briefwahl abgeben.
  • Der neue Bundestag tritt spätestens 30 Tage nach der Wahl zusammen. Die Bundesregierung wird zur geschäftsführenden Regierung bis ein neuer Bundeskanzler oder eine neue Bundeskanzlerin gewählt wird.

Werden künftige Wahlen jetzt immer im Februar stattfinden?

Das Grundgesetz sieht vor, dass Bundestagswahlen frühestens 46 Monate und spätestens 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode stattfinden. Daher bleibt ein gewisser zeitlicher Spielraum, sodass die Bundestagswahl zukünftig auch wieder später stattfinden kann.